Dr. Ludwig Soswinski (1905-1997) – Widerstandskämpfer, KZ-Häftling, Nachkriegspolitiker: Eine politische Biografie

Im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsvorhabens wurde der umfangreiche Nachlass des Widerstandskämpfers, KZ-Häftlings und Nachkriegspolitikers Dr. Ludwig Soswinski (1905-1997) erschlossen und wissenschaftlich aufgearbeitet. Neben dem Nachlass stellen Zeitzeugenberichte und -interviews („Oral History“) sowie zahlreiche in in- und ausländischen Archiven recherchierte Quellen das Fundament dieser biografischen zeitgeschichtlichen Studie über Ludwig Soswinski dar. Die Studie möchte – unter den theoretisch-methodischen Prämissen moderner Biografik – einen Beitrag zur Aufarbeitung der Politikgeschichte der Ersten und Zweiten Republik (insbesondere der KPÖ), des radikal-autoritären Dollfuß-Schuschnigg-Regimes, der totalitären NS-Diktatur und darüber hinaus zur Widerstands- und KZ-Forschung leisten.

Die Klärung der Fragen nach Soswinskis persönlicher und politischer Identität, nach seiner familiären Herkunft (insbesondere nach seinem Umgang mit seinen jüdischen Wurzeln), seiner politischen Sozialisation innerhalb der Sozialdemokratie und seiner Hinwendung zur KPÖ im Gefolge der Februarkämpfe 1934 bilden den Auftakt der biografischen Annäherung. Ein Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Herausarbeitung bzw. Kontextualisierung von Ludwig Soswinskis Rolle als politischer Widerstandskämpfer in der Zeit des „Austrofaschismus“ und während der NS-Herrschaft. Als bekannter kommunistischer Regimegegner war Soswinski bereits am 12. März 1938 verhaftet und im April 1938 mit dem „Prominententransport“ in das KZ Dachau deportiert worden. Seine KZ-Haft sollte, wie er auf die Frage eines SS-Schergen mutig antwortete, „auf Regimedauer“ währen. Er überlebte schließlich die Konzentrationslager Dachau, Flossenbürg, Lublin (Majdanek), Auschwitz (Stammlager) und Mauthausen, wobei er sich im Lagerwiderstand jedes einzelnen KZs aktiv betätigt hatte. So gehörte er ab Herbst 1944 der internationalen Leitung der „Kampfgruppe Auschwitz“ an. Im KZ Mauthausen rettete er im Zusammenspiel mit dem Häftlingsschreiber Hans Maršalek einigen Häftlingen nachweislich das Leben. Im Zuge der Befreiung des KZ Mauthausen wirkte er im Mai 1945 an dem sogenannten Mauthausener Manifest mit, einer Art antifaschistischer Gründungsurkunde der Zweiten Republik.

Ein weiterer Hauptabschnitt der Biografie beleuchtet Soswinskis Anteil am staatlichen und wirtschaftlichen Wiederaufbau eines demokratischen Österreich vor dem Hintergrund des Kalten Kriegs. In seinen politischen und öffentlichen Funktionen als Generalrat der Kreditlenkungskommission, als Generalrat der Österreichischen Nationalbank, als Gemeinderat und Abgeordneter des Wiener Landtags und als Mitglied der Wiener Stadtleitung der KPÖ hatte er die Politik und Wirtschaft der Zweiten Republik und insbesondere der Stadt Wien mitgestaltet, gleichwohl war ihm dabei die – durch den wachsenden Antikommunismus bedingte – stetig abnehmende Bedeutung der KPÖ bewusst. In der Nachkriegszeit trat Soswinski vehement für die gerichtliche Aufarbeitung der NS-Verbrechen ein und engagierte sich für die Interessen der vom NS-Regime Verfolgten. Über mehrere Jahrzehnte war er in leitenden Funktionen in den Verbänden der Widerstandskämpfer und NS-Opfer tätig, u. a. als Obmann der Lagergemeinschaft Mauthausen und Bundesobmann des KZ-Verbands. Er war insbesondere 1963 an der Gründung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) beteiligt, fungierte 1982 als dessen Stiftungskurator und bis 1997 als dessen Vizepräsident. In diesen Funktionen und als Mitglied der Opferfürsorgekommission im Sozialministerium war Soswinski über viele Jahre hinweg einer der maßgeblichen Hauptverhandler bei den zahlreichen Novellierungen des Opferfürsorgegesetzes in den diversen Opferverbänden. Als in der Nachkriegszeit seitens der Politik vereinzelt Stimmen laut wurden, die eine Beseitigung der baulichen Überreste des KZ Mauthausen forderten, war Soswinski in der vordersten Reihe jener, die sich vehement für die Erhaltung des ehemaligen KZs als Gedenkstätte einsetzten.

Eine besondere Würdigung erfährt in der Biografie auch die in Znaim geborene, deutschsprachige Jüdin und Kommunistin Herta Mehl. Ludwig Soswinski lernte sie in der Bauleitung des KZ Auschwitz kennen. Sie verliebten sich ineinander und unterstützten sich in ihrem Überlebenskampf. Nach ihrer Flucht im Zuge der Evakuierung des KZ Auschwitz im Jänner 1945 schlug sie sich noch im selben Jahr zu Ludwig Soswinksi nach Wien durch, wo sie einander heirateten. In den folgenden Jahrzehnten stand Herta Mehl-Soswinski allerdings – insbesondere auch im Milieu der Antifaschisten – angesichts der politisch dominierenden Stellung ihres Mannes bis an ihr Lebensende in dessen Schatten. Tatsächlich aber gebührt der Holocaustüberlebenden – hinsichtlich ihres politischen Engagements gegen die NS-Okkupanten in Prag, ihrer Solidarität mit anderen weiblichen Häftlingen im KZ Ravensbrück, ihrer Widerstandsaktivitäten im KZ Auschwitz und ihres Beitrags, den sie nach 1945 zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen leistete – ein Stellenwert, der jenem ihres Mannes ebenbürtig ist. Der Erfolg Soswinskis war auch in einem hohen Ausmaß seiner Frau geschuldet, die seine Arbeit im Hintergrund unterstützte. Außerdem stellte sie bzgl. seiner Sichtweisen und Einschätzungen ein unverzichtbares Korrektiv dar.

Im letzten Abschnitt der Biografie werden Soswinskis schrittweiser Rückzug aus der Parteipolitik, seine Entwicklung vom linientreuen Parteigänger bis hin zum Bruch mit der KPÖ vor dem Hintergrund der sowjetischen Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 (er war auch Präsident der österreichischen-tschechoslowakischen Freundschaftsgesellschaft) sowie sein Leben nach dem Abschied aus der Politik thematisiert. Als Resümee bleibt die Frage nach der Bedeutung und Nachwirkung seines antifaschistischen Vermächtnisses. Dass Soswinski auf dem Gebiet der politisch-gesellschaftlichen Anerkennung der NS-Opfer, der Aufklärung der Öffentlichkeit über die NS-Verbrechen und hinsichtlich der Erinnerungskultur bzw. Gedächtnispolitik einen nachhaltigen Einfluss ausgeübt bzw. wichtige Weichenstellungen vorgenommen hat und Bleibendes (bspw. Mauthausen-Komitee) geschaffen hat, steht außer Zweifel.
 
Eine Buchpublikation ist für Anfang 2022 geplant.


Projektleitung:
Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer, Univ.-Prof. DDr. Oliver Rathkolb

Projektmitarbeiter: Mag. Dr. Peter Schwarz

Förderer: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK), Arbeitsgemeinschaft der NS Opfer und Widerstandskämpfer Österreichs, Prof. Dr. oec. Lic. rer. publ. Julian I. Mahari (Owner & President: BPH Breakthrough Projects Holding AG, Heerbrugg, Schweiz; Professor of Management, University of Warsaw), Zukunftsfonds der Republik Österreich, Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus